VFS-Wissen

Standortskunde

Aufgaben der Standortskunde

Im naturnahen Wald haben die natürlichen Prozesse zwar einen breiten Raum, der Mensch greift jedoch im Hinblick auf die örtlich dominierende Waldfunktion steuernd ein.

Entgegen der natürlichen Dynamik kann beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen in Buchenwald-Ökosystemen im Kraichgau die Eiche gegenüber der Buche oder in der Altaue am Oberrhein die Eiche gegenüber Esche und Bergahorn gefördert werden.

Um seltene oder selten gewordene Baumarten wie Elsbeere und Speierling zu erhalten, können diese aus einem Buchenbestand herausgepflegt oder wir erhalten alte Bewirtschaftungsformen wie Nieder- und Mittelwald.

Mit naturnaher Waldwirtschaft soll der Nutzen des Waldes im gesellschaftlichen Konsens optimiert werden. Dabei ist auch die Konkurrenzkraft eingebürgerter Baumarten gegenüber autochthonen natürlichen Waldgesellschaften zu beurteilen, wie die der Douglasie in bodensauren Buchen- oder Eichen-Buchenwäldern. Wird das Ziel der Naturnähe konsequent verfolgt, können auf bestimmten Standorten kulturbetonte Waldformen allerdings selten werden.

Die Standortskunde erarbeitet mit ihren Standortskarten (Maßstab 1:10 000) und Erläuterungsbänden die ökologischen Grundlagen für die naturnahe Waldwirtschaft. Sie hat die Aufgabe zu beurteilen, auf welchen Standorten welche Baumarten

  • konkurrenzkräftig,
  • standortspfleglich
  • betriebssicher und damit standortsgerecht sind,
  • welchen Zuwachs und Wertertrag erwarten lassen.

Die standörtliche Eignung der Baumarten ist in erster Linie nach ökologischen und in zweiter nach ökonomischen Gesichtspunkten zu erarbeiten; sie dient der Forsteinrichtung und dem Bewirtschafter vor Ort als Grundlage für die waldbauliche Umsetzung der Ziele des Waldeigentümers.

Die standortskundliche regionale Gliederung Baden-Württembergs

Baden-Württembergs Wuchsbedingungen für Pflanzen sind sehr unterschiedlich. Für eine bessere standörtliche Differenzierung wird die Landschaft deswegen genauer untergliedert. Wuchsgebiete (WB) sind Großlandschaften, die in Landschaftsform und Gesteinscharakter gewisse einheitliche Züge aufweisen und aufgrund dieser Merkmale von anderen Großlandschaften abgrenzbar sind. Die Wuchsgebiete entsprechen im allgemeinen den Gliede­rungen der Geographen und der Pflanzengeographen. In klimatischer Hinsicht sind diese Großlandschaften uneinheitlich.

In Baden-Württemberg gibt es sieben Wuchsgebiete:

WB 1: Oberrheinisches Tiefland
WB 2: Odenwald
WB 3: Schwarzwald
WB 4: Neckarland
WB 5: Baar-Wutach
WB 6: Schwäbische Alb
WB 7: Südwestdeutsches Alpenvorland

Innerhalb der Wuchsgebiete wird nach Einzelwuchsgezirken (EWB), Wuchsbezirksgruppen mit Wuchsbezirken (WBgr) und Teilbezirken (TB) unterschieden.

Jedem Wuchsbezirk wird ein Regionalwald bzw. bei zonaler Höhengliederung der Zonalwald zugeordnet. Sie leiten sich in der Regel aus der potenziellen natürlichen Vegetation her. Ist die Vegetationszusammensetzung durch den Menschen irreversibel verändert, wird auch die heutige potenzielle Vegetation heran gezogen.

Der Karte entnehmen Sie die die Wuchsbezirke bzw. Wuchsbezirksgruppen mit ihren Regionalwäldern nach Klimahaupttyp, Klimatönung und ihre Hauptbaumarten.

Naturnähe der Baumartenzusammensetzung

In den letzten Jahren hat die Standortskunde ein stärkeres Gewicht auf die Beurteilung der Naturnähe von Wälder gelegt. Sie hat damit die Frage zu beantworten, welche Baumarten auf den verschiedenen Standorten konkurrenzkräftig sind und sich in der natürlichen Auslese durchsetzen werden.

Naturnahe Wälder zeichnen sich aus durch eine hohe Konkurrenzkraft der beteiligten Baumarten in den verschiedenen Sukzessions- und Altersphasen, sie erhalten den bodenchemischen und -physikalischen Bodenzustand und sind zumeist unempfindlich gegen biotische und abiotische Störungen.

Alle drei Parameter werden herangezogen, um die Standortsgerechtigkeit zu beurteilen; für die Baumarteneignung wird außerdem die Wuchsleistung der Baumart berücksichtigt.

Die Bewertung der Baumarteneignung erfolgt seit 1995 nach vier Ziffern, die in drei Stufen auf die Konkurrenzkraft, die Standortspfleglichkeit, die Betriebssicherheit und die Leistungsfähigkeit hinweisen.

Standortswald

Der Standortswald wird für alle Standortseinheiten hinsichtlich der konkurrenzkräftigsten Baumarten nach Haupt-, Neben- und Pionierbaumarten definiert.

Der Nutzer kann damit die sukzessionale Entwicklung, die Betriebssicherheit und die Massenleistung sowohl in Beständen als auch auf Sturmwurfflächen für waldbauliche, forsteinrichtungsrelevante und teilweise für naturschutzfachliche Fragestellungen ausreichend genau prognostizieren.

Auch nicht standortsheimische Baumarten werden hinsichtlich ihrer Eignung mit den Baumarten des Standortswaldes verglichen und können bei hoher Konkurrenzkraft, guter Standortspfleglichkeit und hoher Betriebssicherheit bei guter Leistung auch in der Baumarteneignung positiv bewertet werden.

Um die Verständigung mit Menschen zu erleichtern, die keine forstlichen standortskundlichen Kenntnisse besitzen, ist zusätzlich bei jeder Standortseinheit der pflanzensoziologische Name der potentiellen natürlichen Waldgesellschaft nach OBERDORFER (1992) angegeben.

In weiten Teilen Baden-Württembergs sind die Standortswälder für die Hauptbaumarten näherungsweise beschrieben. Die vollständige Beschreibung erfolgt im Zuge der weiteren laufenden Standortskartierungen.

Thematische Karten

Verschneiden wir die vorhandenen digitalen Standortskarten mit den Daten der angeschlossenen Standortskunde-Datenbank oder mit anderen flächenbezogenen Daten wie aus der Forsteinrichtung, erhalten wir „Thematische Karten“.

Von thematischen Karten liegen bisher einige Entwürfe vor. Sie fassen standortskundliche Aussagen zusammen oder stellen Teile davon auf Karten dar; Flächenbilanzen ergeben sich als Nebenprodukt der Abfragen bzw. Verschneidungen.

Beispiele thematischer Abfragen sind die Verteilung naturschutzbedeutsamer Waldgesellschaften über die Abfrage von trockenen oder nassen Standorten, die Kalkungswürdigkeit über die Abfrage von Substrat und Humusform oder die Betriebssicherheit bestimmter Baumarten (häufig der Fichte).